Buchtipp: Leadership Coaching mit Weisheit – Teil 2
März 2, 2020Peter van Eyk | Neue Zertifikate und Abschlüsse
Juli 22, 2021Transformationen coachen in transformativen Zeiten
Sharpist Coach Peter van Eyk hat über 30 Jahre Führungserfahrung und ist bereits über 15 Jahre als Coach erfolgreich. Der zertifizierte EMCC Master Practitioner Coach hat einen Fokus auf Leadership und Change Management und coachte dabei unter anderem in Organisationen wie der Deutschen Telekom, der Funke Mediengruppe, der Forest Finance Group und Lavazza.
1) Durch die COVID-Pandemie wurden in den vergangenen Monaten weltweit grundlegende und rapide Veränderungsprozesse angestoßen. Wie hat sich deine Coaching-Arbeit dabei verändert?
Ich war ohnehin schon immer im Sinne eines “blended Coaching” unterwegs, also Präsenz gemischt mit Call und Online. Das hat sich jetzt deutlich weiter auf die Onlineaktivität verschoben. Meine geplanten Präsenz-Coachings und Schulungen sind schlicht ins Wasser gefallen. Inhaltlich schwingt die Pandemie als Rahmenbedingung in allen Coachings mit. Manchmal ist der Umgang damit aus Sicht der Führungskraft in Verbindung mit den praktischen Fragen wie Umsetzung Kurzarbeit, Mobile Office, Hygienekonzepte sowie Kanalisierung von Ängsten in der Belegschaft, das zentrale Thema.
2) Welche Ratschläge teilst du mit Unternehmenslenker*innen derzeit besonders häufig?
Neben offener Kommunikation und klaren Regelungen: Räume schaffen, in denen die Mitarbeiter*innen auch ihre Emotionen artikulieren und selbst Vorschläge machen können, wie die Arbeit unter diesen neuen Bedingungen optimal geleistet werden kann. Konkret nützt eine tägliche kleine Ampelabfrage: Steht die Ampel auf Grün, Rot oder was dazwischen? Die Mitarbeiterbindung und Motivation steigt aktuell sogar, wenn jetzt Möglichkeiten mobilen Arbeitens angeboten werden und auch verstärkt Rücksicht auf private Umstände, wie insbesondere die notwendige Kinderbetreuung, genommen werden. Das betrifft übrigens auch viele junge Chef*innen unmittelbar selbst.
3) Wie können Führungskräfte das Engagement und die Motivation ihrer Mitarbeiter*innen in Zeiten der Unsicherheit unterstützen?
Neben dem schon Gesagten frei nach Picasso: Geborgenheit im Ungewissen schaffen. Nicht erst seit Corona brauchen wir in der heutigen VUCA-Welt [volatility, uncertainty, complexity, and ambiguity] Strategien einer dynamischen Meta-Balance und Surf- Kompetenz. Führungskräfte müssen das Vertrauen vermitteln: Gemeinsam schaffen wir das. Corona braucht Kooperation statt Konkurrenz. Ängste ernst nehmen, offen über Worst-Case-Szenarien reden und darüber, wie dann Plan B und gegebenenfalls auch C aussehen, und zwar nicht erst, wenn sie eingetreten sind.
4) Welchen Einfluss wird die COVID-Pandemie auf Transformationsprozesse der nächsten Jahre haben? Werden mehr Unternehmen als davor Veränderungsprozess angehen und welchen Fokus werden diese haben?
Da bin ich mir ganz sicher, da die Pandemie bislang schon vorhandene Versäumnisse bei Entwicklung oder Neujustierung von Geschäftsmodellen zum Beispiel im Zusammenhang mit der Digitalisierung schonungslos offengelegt hat und als Beschleuniger des Niedergangs wirkt. Daneben werden Einige auch schlicht die Pandemie als Gelegenheit und Alibi nutzen, schon angedachte, aber aus diversen Gründen gescheute, Umstrukturierungen – meistens verbunden mit Personalabbau – jetzt anzugehen.
5) Was macht für dich einen gelungenen Transformationsprozess aus?
Betroffene zu Beteiligten machen. Den Menschen auf Augenhöhe begegnen und die berechtigte Frage beantworten: Was ist dabei für mich konkret drin? Schnell klar machen, wie die Zukunftsmannschaft aussieht und die “Verlierer” fair behandeln. Für die Führungskräfte ganz wichtig: Sei Dir Deiner Wirkung im Veränderungsprozess bewusst. Du stehst jetzt unter totaler Beobachtung, ob Du nicht nur Wasser predigst, aber weiterhin Deinen Wein trinkst. Führung ist Vorbild.
6) Woran kann man als HR-Führungsperson am besten ablesen, dass Coaching im Unternehmen mehrwertig funktioniert hat?
Allgemein wird man feststellen, dass die Zufriedenheit von Mitarbeiter*innen signifikant steigt und gleichzeitig die Performance, da Coaching als selbstbestimmtes Lernen Autonomie, Reflektionsfähigkeit bezüglich Verbesserungen und Verantwortungsgefühl steigert. Ansonsten hängt vieles von den konkreten Coaching-Zielen ab. Soweit Ausgangspunkt des Coachings bestimmte vom Unternehmen in seinen KPIs erfasste Themen sind, ziehe ich dazu auch die Entwicklung dieser KPI direkt heran.
7) Du hast über 30 Jahre Erfahrung mit Transformationsprozessen in Unternehmen. Inwiefern unterscheiden sich diese Veränderungsprozesse von damals von denen heute?
Die damaligen Prozesse waren sehr betriebswirtschaftlich und mechanistisch geprägt. Vom Anfang bis zum Ende hatten wir einen mit MS Projects durchdeklinierten Changeprozess, der in der Regel zeitlich viel zu ambitioniert war – manche Dinge, wie zum Beispiel Verhandlungen mit den demokratisch aufgestellten Sozialpartnern, haben ihre Eigenzeit. Heute ist jedem klar, dass man die Menschen mit Kopf und Herz mitnehmen muss, iterativ vorgehen und auf dem Weg agil bleiben muss, auch offen für andere als die ursprünglich angedachten Lösungen. Das drückt sich darin aus, dass wir inzwischen von Change-Choreografien mit Raum für Improvisation sprechen. Zumindest die Erwartung der Stakeholder an eine höhere Geschwindigkeit von Anpassungsprozessen ist signifikant gestiegen. Gleiches gilt für den Mitgestaltungsanspruch der Mitarbeiter*innen.
8) Du bist seit über einem Jahr bei Sharpist als Coach aktiv. Was ist deiner Meinung nach der größte Mehrwert, den Sharpist Unternehmen bietet?
Es gab schon seit längerem im Management den Trend weg von den gießkannenmäßigen, mehrtägigen Lernmaßnahmen durch Business-School-Programme zum maßgeschneiderten individualisierten Lernen durch Coaching. Im Vergleich zu diesen dann schnell gestutzten Programmen war Coaching im Management wesentlich effektiver und kostengünstiger. Sharpist ermöglicht diese Form des individualisierten Lernens im Rahmen des allgemeinen Weiterbildungsbudgets für letztlich jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin. In der HR-Verantwortung schätze ich auch den generischen Überblick, den ich aus dem Cockpit über die ganze Organisation erhalte: Was sind die Themen, wo drückt der Schuh, wie ist die allgemeine Zufriedenheit und Weiterentwicklung?
9) Du bist der Deutschland-Präsident vom EMCC (European Mentoring and Coaching Council). Was hat dich dazu gebracht, dich in dieser Non-Profit- und Non-Governmental-Organisation für die Professionalisierung von Coaches, Mentoren und Supervisoren einzusetzen?
Am Anfang wollte ich die von mir als Programmdirektor aufgestellten Coachingausbildungen eher aus Marketinggründen gegen einen globalen Gold-Standard im Coaching validieren. Der EMCC Standard mit seinem abgestuften, am Bild des “reflective practitioners” orientierten Akkreditierungssystem hat mich dann total überzeugt. Es geht dabei gerade nicht nur um Ausbildung, kontinuierliche Fortbildung, Forschung und Supervision, sondern vor allem um reflektierte Praxis in Verbindung mit einem persönlichen, kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Auf dieser Basis lässt sich auch in Deutschland –andere Länder sind da schon weiter– ein echter Beruf “Coach” mit höchsten Kompetenzanforderungen definieren. Ich glaube, das Potential von systematischen Coaching –mit solchermaßen kompetenten Akteuren– ist bei den Unternehmen bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Meine Mission ist, dies den Top-Führungskräften zum Beispiel durch unsere Unternehmensveranstaltungen zu vermitteln.
10) 2010 legtest du in Tokio die Grossmeisterprüfung im Karate-Do (moving Zen) ab, zuletzt wurdest du 2014 in Lissabon Veteranen-Weltmeister im Freikampf der Funakoshi Shotokan Karate Association. Welchen Einfluss übt dein leistungssportlicher Hintergrund in japanischen Kampfkünsten auf dein Coaching aus?
Berufliche Spitzenleistungen sind nichts anderes als Hochleistungssport. Top fit sein, wenn es darauf ankommt. Gute Technik haben viele. In der Spitze entscheidend sind in der Regel mentale Komponenten. Insoweit lässt sich vieles von der Sportpsychologie, und inkrementell der in den japanischen Kampfkünsten eingewebten buddhistischen Psychologie, für den beruflichen Alltag lernen. Ich habe daraus erprobt mit meinen eigenen Erfahrungen das System “Hara Leadership – Führung aus der eigenen Mitte” entwickelt. Frei nach C.G. Jung: “The true leader is always led.” Im Coaching nutze ich das bei den Meta-Themen mentale Toughness, Energie, Fokus und soziale Beziehungsgestaltung.
Quelle: Das Interview ist am 18.08.2020 auf der Website www.sharpist.com veröffentlicht worden.